Welch Laster ist, das sich nicht selbst beschönet?
Gedichte
- 1738 -
Der alte Bauer und seine zween Söhne
Eine Erzählung
Ein Bauer, der sein Brod erpflügte,
Dem das, und frisches Wasser, gnügte,Ward alt und schwach : sein Pflug ward ihm zu stark.
Was war sein Trost? ein Paar erwachsner Knaben, Die, für den Vater, Kräfte haben, In Adern frisches Blut, in Beinen junges Mark. Ja wohl! der Trost hat etwas wahres :Vier Arme, stat nur eines Paares, Die treiben leicht den schwersten Pflug. Doch nein! nur ein Sohn war, der Pflug und Nahrung stützte; Der andre war ein Thor, der zum verzehren nützte, Und sonst zu nichts. Ist auch die Faulheit klug? Der kluge Sohn stund auf, wie Phöbus thut, am Morgen, Und lief zur Arbeit freudig hin : Der andre schlief bis Mittag, ohne Sorgen, Wie eine müde Tänzerinn. Doch hört, was das Verhängniß füget : Indem der arbeitsame pflüget, So stößt die Schar auf etwas hartes an. Auf einen Stein vielleicht? nein, ihr müßt besser rathen. Es war ein Kästlein voll Ducaten. Wie froh erschreckt lief er von Pflug und Spann, Beschwert, der Hütte zu! Kommt, laßt euch mit ihm führen : Merkt, wie des Alten Herz, bey Freudenthränen, lacht. Wie kann ein Sohn den Vater rühren, Wenn Fleiß und Glück die Liebe segnen macht!Doch, ach! ein Blick fällt traurig nach dem Stroh. Macht auch ein fauler Sohn so froh? »Sieh«, ruft der Greis, »du Schandfleck meines Blutes!Was früh dein Bruder fand : was findst du Schläfer gutes?«Der Faule gähnt, greift zu, und spricht : »das Ding ist schwer!Der Narr, der das verlohr, war früher auf, als er.«Welch Laster ist, das sich nicht selbst beschönet? Doch Faulheit liegt beschimpft; wenn Fleiß ernährt und krönet.
- 1736 -
Da
Herr Hofrath Haller
nach Göttingen,
als öffentlicher Lehrer der medicinischen
Wissenschaften,
an des
verstorbenen Herrn Albrechts Stelle
berufen ward.
Des Königs Stadt, des Landes Zier,
Die wachsende Georgauguste,
Die jüngst, mit sehnlicher Begier,
Um ihren Albrecht seufzen mußte,
Hebt ihr erquicktes Haupt empor,
Beweint nicht mehr, was sie verlohr;
Nur bleibt ein werthes Angedenken.
Des Himmels und des Königs Gunst
Will ihr, für Albrechts Geist und Kunst,
Geist, Kunst, und Glück, in Haller schenken.
In Haller, den die Schweiz gezeuget,
Zum Zeichen ihrer Trefflichkeit,
Vor der sich Pindus Höhe beuget,
Wenn Hallers Geist die Alpen weiht :
Den die Natur mit Huld beglückte,
Mit ihren besten Gaben schmückte,
Und sprach : er soll mein Priester seyn!
Er wisse meine Grundgesetze,
Er kenne meiner Reiche Schätze,
Und mache sie der Welt gemein!
Es ist erfüllt : sein muntrer Fleiß
Gleicht seinen ungemeßnen Gaben;
Durchdringet, was die Kunst schon weiß;
Und forschet nach, was noch vergraben.
Der Weisheitsgründe Wissenschaft,
Der Meßkunst Ueberzeugungskraft,
Das Licht der Klugheit im erfahren,
Führt ihn, den Priester der Natur,
Stets sicher auf der schmalen Spur
Des nie genug erforschten wahren.
So kömmt er, deinen Musenkindern,
Du lehrenreiches Leinathen!
Der Künste Schwierigkeit zu mindern,
Als treuer Führer vorzugehn.
Doch nicht nur dir, doch nicht nur ihnen,
Wird er zum Licht und Lehrer dienen :
Er ist ein allgemeines Gut.
Der Wissenschaften Glanz vermehren,
Erfinder seyn, Gelehrte lehren,
Sind Werke, die ein Haller thut.
So ists : die Proben preisen ihn.
In ferner Zeit, in fernen Gränzen,
Wird er, wie Tournefort, Rivin,
Wie Ruysch, Morgagni, Heister, glänzen.
O wohl, Georgauguste, dir!
So wächst dein Nutzen, Glück, und Zier :
Dein Glück, das GOtt und König schützen;
Die Zier, die jeder Lehrer mehrt;
Der Nutzen, den den Stifter ehrt,
Der dich erhebt, der Welt zu nützen.
(a) Die berühmten Erfinder, und Lehrer der Gelehrten, in der Botanik und Anatomie
(b)
[Vergl. dazu auch unser Stichwort: ALBRECHT VON HALLER]
- 1742 -
Auf den Tod
seiner
ersten Ehefrau
gebohrnen Plohren.
O, meine Freundinn, meine Plohren!
Mein Glück, mein Alles auf der Welt!
Dich hab ich auf der Welt verlohren.
Was ist dann, das mich lebend hält?
Zu dir bald wider zu gelangen,
Flöh ich durch Glut und Flut von hier.
Was darf mein Wunsch sich unterfangen?
Verzweiflung führt ja nicht zu dir.
Der HErr ist GOtt, des Lebens Meister!
Er hat mein Elend hier bestimmt,
Er, der zur Freude seelger Geister,
Dich, auserwählte Seele, nimt.
Sie überzeugt mich, diese Wahrheit.
Warum ist sie kein Trost für mich?
Mißgönn ich dir die Himmelsklarheit?
Liebt ich mich jemahls mehr, als dich?
Nein, GOtt und dir war meine Liebe,
Wie deine GOtt und mir, bekannt :
Wie jeder Theil, mit gleichem Triebe,
Nur Glück im Glück des andern fand.
Traff mich, traff mein Geschlecht, ein Segen,
Den dein Gebet vom Himmel zog,
Es war die Freude deinetwegen,
Was doppelt mich zum Dank bewog.
Wie willig hätt ich meine Sorgen,
Den Kummer, der mich oft gedrückt,
Vor deiner Zärtlichkeit verborgen,
Dich stets durch frohen Muth beglückt!
Bald aber drang, wenn ich nicht klagte,
Dein kennend Auge durch mein Herz :
Die Liebe forschte, was mich nagte,
Und theilte tröstend jeden Schmerz.
Wenn mein empfindlich Herz von Kranken,
Voll Sorgen oder Beyleid, kam;
Wenn es, mit zärtlichen Gedanken,
An fremdem Trauren Antheil nam;
Ward eitles Gut, ward Blut verlohren;
Traff Freunde Leiden dich und mich :
Wie lieblich war dein Trost den Ohren,
Dein freundlich Wort : du hast ja mich!
Nun hab ich dich ja nicht auf Erden;
Und habe meine Centnerlast.
Nun drücken mich des Amts Beschwerden,
Das du, nur du, erleichtert hast.
Der muntre Geist, den man bemerkte,
Wenn ich fast unerträglich trug,
Der lebte, weil dein Trost ihn stärkte :
An dich gedenken war genug.
Nun bleibt mir Last und Schmerz zurücke;
Und du nimst allen Trost dahin.
Vergib, daß ich, bey deinem Glücke,
Nur für mein Leid empfindlich bin!
Die Macht der Sinne reißt mich nider :
Sie stellt dein Bild zu lebhaft dar;
Und nichts gibt mir das Urbild wider :
Dein Geist ist fern und unsichtbar.
O! diesen Schmerz, o! diese Wunden,
Womit der Tod mein Herz durchwühlt,
Hast du ja, Liebste, nicht empfunden :
Du hättest eben so gefühlt.
Ich weiß noch wohl, wie du erbebtest,
Bey kaum mir drohender Gefahr,
Wie Furcht, daß du mich überlebtest,
Der treuen Brust zur Marter war.
Ich weiß noch, wie ich oft erbebte.
Schon ehmahls war Verzweiflung nah,
Da kaum ein Odem dich belebte,
Dein brechend Auge nicht mehr sah.
Da hörte GOtt mein ängstlich Schreyen,
Er schenkte Hoffnung, Rath, und Kraft.
Und, o, wie pries ich sein Gedeyen,
Das aus dem Tode Leben schafft!
Vier schnelle Jahre sind verflossen,
Die lezte Ruhe meiner Zeit,
Da ich dein Leben neu genossen,
Oft unter neuer Bangigkeit.
O, froher Abend, heitrer Morgen!
Da ich dich lezt gesund umfing,
Da sich mein Unglück noch verborgen,
Das wie ein Wetter auf mich ging.
Ich kam, aus deinem holden Herzen,
Nach vieler Last, erquickt zu seyn.
Ich fand dich : aber Glut und Schmerzen
Verkehrten meinen Trost in Pein.
Erschrecken, Wehmuth, Furcht, Verzagen,
Traff auf mich Armen, Schlag auf Schlag.
Nach vier entsetzlich bangen Tagen,
Kam dieser lange Trauertag.
Mein GOtt! du trugst ja sonst Erbarmen.
Kann meiner Kinder Unschuld Schreyn,
Der Frommen Flehn, das Flehn der Armen,
Nicht einmahl noch erhörlich seyn?
Es ist umsonst. Sie ist begraben,
Mein Trost, mein Glück, mein Alles hier.
HErr! laß den Trost nur Wirkung haben :
Sie lebt; ich folge bald, zu dir.
Noch ein Trost zeigt sich mir von weiten.
Ihr Kinder, der Geliebten Blut!
Laßt euch ihr werthes Vorbild leiten :
Das sey eur angeerbts Gut.
So möcht ich einst, nach Schmerz und Schmachten,
Bis die Entlassungsstunde schlägt,
Das Bild an euch mit Lust betrachten,
Das sich mir brennend eingeprägt :
Das göttlich freudige Gewissen;
Der holden Sitten Lieblichkeit;
Die Vorsicht keine Pflicht zu missen;
Der Demuth Frucht, Bescheidenheit,
Der Demuth, (darf ichs von ihr sagen?)
Bey vielem Licht, und klugem Rath;
Die Sanftmuth fremden Fehl zu tragen;
Das offne Herz in Wort und That;
Das zarte Herz, bereit zu bluten,
Wenn, was nur lebt, ein Leid empfand;
Die Dankbegier bey jedem guten;
Den Mund voll Trost; die milde Hand;
Der Freundschaft Treu; das reine Lieben :
Wer war mehr Freund, als GOtt, und ich?
Ich schweige viel. Genug geschrieben!
Genug Verlust für euch und mich!
Quelle
D. Paul Gottlieb Werlhof, Gedichte. Herausgegeben von der deutschen Gesellschaft in Göttingen mit einer Vorrede Herrn D. Albrecht Hallers. Hannover : in Verlag sel. Nicolai Försters und Sohns Erben. Hof=Buchhandlung, 1749.
Publikationen
Titel | Rubrik | Verlag, Verlagsort | Erscheinungsjahr | Erwähnte Orte |
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Gedichte | Hg. von der deutschen Gesellschaft in Göttingen mit einer Vorrede Herrn D. Albrecht Hallers | in Verlag sel. Nicolai Försters und Sohns Erben. Hof=Buchhandlung Hannover | #1749 | ###morelink### |