Die niedliche Metropole
- 1821 -
Hannover ist eine niedliche Stadt, mit ziemlich breiten, reinlichen und regulären Straßen, die von denen, welche Bern nicht kennen, sehr bewundert werden. Sehenswürdiges ist wenig darin, außer einer sehr schönen Allee, die nach Herrenhausen, dem königlichen Palast, ungefähr eine halbe Stunde von der Stadt entlegen, führt, Leibniz' Grabmahl und dem Marstalle.
Gegen Abend kamen wir dort an, brachten den Rest des Tages mit Umkleiden und Kaffeetrinken zu; wie es dunkel wurde, eilten wir, die Stadt, ihre Anlagen und die zum königlichen Empfang gemachten Anstalten zu sehen. Man lache uns darüber aus; es sieht allerdings etwas seltsam; aber ich will doch jedem raten, an Orten, wo eben nicht vieles und Schönes zu sehen ist, uns nachzuahmen. Die Dunkelheit gibt der Phantasie Spielraum, das Halbverhüllte besser sich vorzustellen; wenn dabei auch die Richtigkeit der Vorstellung abgeht, so gewinnt sie an Reiz.
Anmerkungen
Mehr von Jeremias Gotthelf (der damals noch schlicht »Albert Bitzius« war) auf seiner Niedersachsen-Tour unter »<link external-link-new-window link in neuem fenster>Weserbergland«
Quelle
Jeremias Gotthelf, Reisebericht. 1821 (Hrsg. Kurt Guggisberg), Erlenbach-Zürich : Eugen Rentsch, 1953, S. 54f