Dat Wettloopen twischen den Swinegel un den Haasen up de lütje Haide bi Buxtehude
- April 1840 -
Disse Geschicht is lögenhaft to vertellen, Jungens, awer wahr is se doch! Denn mien Grottvader, von den ick se hew, pleggte jümmer, wenn he se mi vertellde, dabi to seggen: »Wahr mutt de doch sien, mien Söhn, anners kunn man se jo nich vertellen!« De Geschicht hett sick awer so todragen.
Et wöör an eenen schönen Sündagmorgen to'r Harvsttiet, jüst as de Bookweeten bloihde. De Sünn wöör hellig upgaen am Hewen, de Morgenwind güng warm öwer de Stoppeln, de Larken süngen inn'r Lucht, de Immen sumsten in den Bookweeten, un de Lühde güngen in ehren Sündagsstaht nah'r Karken, un alle Kreatur wöör vergnögt, un de Swinegel ook.
De Swinegel awer stünd vör siener Döhr, harr de Arm ünnerslagen, keek dabi in den Morgenwind hinut, un quinkeleer'de en lütjet Leedken vör sick hin, so good un so slecht, as nu eben am leewen Sündagmorgen en Swinegel to singen pleggt. Indem he nu noch so half liese vör sick hin sung, füll em op eenmal in, he künn ook wol, mittlerwiel siene Fro de Kinner wüsch und antröcke, en beeten in't Feld spazeeren un mal tosehn, wie siene Stähkröwen stünden. De Stähkröwen wöören awer de nöchsten bi sienem Huuse, un he pleggte mit siener Familie davon to eten, darüm sahg' he se as de sienigen an. Gesagt, gedahn. De Swinegel maakde de Huusdöhr achter sick to un slög den Weg nah'n Felde in. He wöör noch nich gans wiet von Huuse, un wull jüst üm den Stühbusch, de da vör'n Felde liggt, nah den Stähkröwen-Acker hinupdreien, as em de Haas' bemött, de in ähnlichen Geschäften uutgahn wöör, nämlich um sienen Kohl to besehen. As de Swinegel den Haasen ansichtig wöör, so böhd' he em en fründlichen »Go'n Morgen!« De Haas' awer, de up siene Wies' en vörnehmer Herr was, un grausam hochfahrtig dabi, antwoorde nicks up den Swinegel sienen Gruhß, sondern seggte to'm Swinegel, wobi he en gewaltig höhnische Miene annöhm: »Wie kummt et denn, datt Du hier all bi so fröhem Morgen im Felde rumlöppst?«
»Ick gah spazeeren«, seggt' de Swinegel.
»Spazeeren!?« lachde de Haas', »mi dücht, Du kunnst de Been' ook wol to betern Dingen gebruuken!«
Disse Antwoord verdrööt den Swinegel ungeheuer, denn alles kunn' he verdreegen, awer up siene Been' leet he nicks komen, eben, wiel se von Natur scheef wöören.
»Du bildst Di wol in«, seggt' nu de Swinegel to'm Haasen, »as wenn Du mit Diene Been' mehr uutrichten kannst?«
»Dat denk ick«, seggt' de Haas'.
»Dat kummt up'n Versöök an«, meent' de Swinegel, »ick pareer, wenn wi in den Wett' loopt, ick loop Di vörbi!«
»Dat is tum Lachen, Du mit Diene scheefen Been'«, seggt' de Haas', »awer mienetwegen mag't sien, wenn Du so öwergroote Lust hest. Wat gilt de Wett'?«
»En gold'ne Lujedor un'n Buddel Brannwien!« seggt' de Swinegel.
»Angenahmen!« spröök de Haas', »sla in, un denn kann't gliek losgahn.«
»Nä, so groote Ihl hett et nich«, meent' de Swinegel, »ick bün noch ganz nüchdern; eerst will ick to Huus gahn un en beten fröhstücken; in'ner halwen Stünd' bün ick wedder hier up'n Platz.«
Damit güng de Swinegel, denn de Haas' wöör et tofreden. Ünnerwegs dachde de Swinegel bi sick: »De Haas' verlett sick up siene langen Been, awer ick will em wol kriegen; he ist zwar en vörnehm Herr, awer doch man'n dummen Keerl, un betahlen sall he doch!«
As nu de Swinegel to Huuse ankööm, spröök he to sien Fro: »Fro, treck Di gau an, Du must mit mi na'hn Felde hinut!«
»Wat givt et denn?« seggt' sien Fro.
»Ick hew mit'n Haasen wett't üm'n gold'ne Lujedor un'n Buddel Brannwien; ick will mit em inne Wett' loopen, un da sallst Du mit dabi sien!«
»O, mien Gott, Mann!« füng' nu den Swinegel sien Fro an to schreen, »büst Du nich klook, hest Du denn ganz den Verstand verlaarn? Wie kannst Du mit den Haasen in de Wett' loopen wollen?!«
»Holt dat Muul, Wief!« seggt' de Swinegel, »dat is mien Saak! Resonehr nich in Männergeschäfte. Marsch, treck Di an, un denn kumm mit!« Wat sull den Swinegel sien Fro maken? Se mußt' wol folgen, se mugg nu wollen oder nich! -
As se nun mit enander ünnerwegs wöören, spröök de Swinegel to sien Fro: »Nu paß up, wat ick seggen will. Sühst Du, up den langen Acker dar wüll wie unsen Wetloop maken. De Haas' löpt nämlich in der eenen Föhr un ick in'ner annern; un von baben fang wi an to loopen. Nu hest Du wieder nicks to dohn, as Du stellst Di hier ünnen in de Föhr, un wenn de Haas' up de annere Siet ankummt, so röptst Du em entgegen: ›Ick bün all hier!‹«
Damit wöör'n se bi den Acker anlangt; de Swinegel wiesde siener Fro ehren Platz an un güng nu den Acker hinup. As he baben ankööm, wöör de Haas' all da.
»Kann et losgahn?« seggt' de Haas'.
»Ja wol!« seggt' de Swingel.
»Denn man to!« un damit stellde jeder sick in siene Föhr; de Haas' tellde: »Hahl Een! Hahl Twee! Hahl Dree!« - un los güng he, wie en Stormwind, den Acker hindal. De Swinegel awer lööp ungefähr man dree Schritt, dann dukde he sick dahl in de Föhr un bleev ruhig sitten.
As nu de Haas' in vullem Loopen ünnen am Acker ankööm, röp em den Swinegel sien Fro entgegen: »Ick bün all hier!« De Haas' stutzd' un verwunderde sick nich wenig; he meende nich anners, as et wöör de Swinegel sülvst, de em dat torööp'; denn bekanntlich süht den Swinegel sien Fro jüst so uut, wi ehr Mann.
De Haas' awer meende: »Dat geiht nich to mit rechten Dingen! Noch mal geloopen! Wedder üm!« Un fort güng he wedder wie en Stormwind, datt em de Ohren am Koppe flögen. Den Swinegel sien Fro awer blev ruhig up ehrem Platze. As nu de Haas' baben ankööm, röp em de Swinegel entgegen: »Ick bün all hier!«
De Haas' awer, ganz uuter sick vör Ihwer, schreede: »Noch mal geloopen! Wedder üm!«
»Mi nich to slimm«, antwoorde de Swinegel, »mienetwegen noch so oft, as Du Lust hest.«
So lööp de Haas' noch dree un söbentig Mal, un de Swinegel höhl et ümmer mit em uut. Jedes Mal, wenn de Haas' ünnen oder baben ankööm, seggten de Swinegel oder sien Fro: »Ick bün all hier!«
Tum veerunsöbentigsten Mal awer kööm de Haas' nich mehr to Ende. Midden am Acker stört he to'r Eerde, dat Blod flög em uut'n Halse, un he blev dohd up'n Platze. De Swinegel awer nöhm siene gewunnene Lujedor un den Buddel Brannwien, röp siene Fro uut der Föhr aff, un beide güngen vergnögt mit enanner nah Huus; un wenn se nicht storben sünd, lewt se noch.
So begew et sick, datt up de Buxtehuder Haide de Swinegel den Haasen dohd loopen hett, un siet jener Tied hett et sick keen Haas' wedder infallen laten, mit'n Buxtehuder Swinegel in de Wett' to loopen.
De Lehre awer uut disser Geschicht is: Erstens, datt Keener, un wenn he sick ook noch so förnehm dücht, sick sall bikomen laten, över'n geringen Mann sick lustig to maken, un wöör't ook man'n Swinegel; un tweetens, datt et gerahden is, wenn Eener freet, datt he sick 'ne Fro uut sienem Stande nimmt, un de jüst so uutsüht as he sülvst. Wer also en Swinegel is, de mutt tosehn, datt siene Fro ook en Swinegel is; un so wieder! -
Anmerkungen
Der Publizist Dr. Wilhelm Schröder (geboren 1808 in Oldendorf bei Stade, gestorben 1878 in Leipzig) veröffentlichte dieses Märchen am 26. April 1840 in dem von ihm herausgegebenen Hannoverschen Volksblatt (No. 51). 1843 nahm Wilhelm Grimm den (von ihm leicht veränderten) Text als No. 187 in die 5. Auflage der »Kinder- und Hausmärchen. Gesammelt durch die Brüder Grimm« auf, übrigens ohne den Namen Wilhelm Schröders im Kommentarband zu erwähnen. Statt dessen dekretierte Wilhelm Grimm, das Märchen (das bei ihm »Der Hase und der Igel« heißt) stamme aus der »Gegend von Osnabrück«. Das ist Unsinn. Allerdings irrte sich auch Wilhelm Schröder mit seiner Lokalisierung des Geschehens in »Buxtehude«. Tatsächlich stammt der Stoff aus Bexhövede bei Bremerhaven. Aber da Buxtehude nun einmal als Schauplatz des märchenhaften Wettlaufs in die Ewigkeit eingegangen ist, wollen auch wir an der Legende nicht rütteln (was bleibt, stiften nun mal die Dichter - zum Beispiel Wilhelm Schröder).
Quelle
Wilhelm Schröder: Dat Wettloopen twischen den Swinegel un den Haasen up de lütje Haide bi Buxtehude, in: Hannoversches Volksblatt, No. 51 v. 26. 4. 1840