Veranstaltungs-Archiv

16.11.13 - 17.00 Uhr –

BUCHLUST: Rose Ahlheim

stellt vor: "Die deutsche Mutter und ihr letztes Kind" (Offizin-Verlag)

Moderation: Prof. Michael Buckmiller

Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind, so hieß Johanna Haarers (1900-1987) weit verbreiteter Ratgeber in der NS-Zeit. Verpackt in Ratschläge zur "richtigen" Babypflege wurde hier gerade jungen und unerfahrenen Müttern ein Erziehungs- und Sozialisationsstil nahegebracht, der sich nahtlos in die NS-Ideologie einfügte. Die Grundsätzen des Ratgebers wirkten noch lange in die Nachkriegszeit hinein. Haarers Kinderbuch Mutter erzähl von Adolf Hitler! und ihre Tätigkeit als "Sachbearbeiterin für Rassenpolitische Fragen" lassen erkennen, wie tief sie sich auf die NS-Ideologie eingelassen hatte.

Im ersten Teil dieses Buches erscheinen ihre in hohem Alter verfassten Lebenserinnerungen bis 1933 und aus der Internierungszeit. Sie zeigen die Unbelehrbarkeit einer Frau, die ihre Verfehlungen verdrängt und den Anschein von "Normalität" aufrechtzuerhalten versucht – wie so viele ihrer Generation. Andererseits begegnet uns darin eine starke junge Frau, die über viele Begabungen verfügt, sich ihren Weg erkämpft – und wie so oft bleibt die Frage, welche Dynamik diesen Lebensweg einmünden ließ in die Massenbewegung der überzeugten Nationalsozialisten.

Zwischen Gertrud Haarer (geb. 1942), dem fünften und letzten Kind, und ihrer Mutter hat nie ein wirklicher Dialog stattgefunden. In ihrer Autobiografie im zweiten Teil beschreibt die Tochter nun den langen Weg ihrer Suche: Wer war sie, diese Mutter? Kann sie identisch sein mit jener Frau, die derart drakonische Erziehungsmethoden vertrat? Von einer Art "Denkverbot" in ihren früheren Jahren kämpft sie sich durch zu einer intensiven inneren Auseinandersetzung mit dem mörderischen Charakter des Nationalsozialismus.

In ihrer Einleitung liefert die Psychotherapeutin und Herausgeberin Rose Ahlheim hierzu eine kritische zeitgeschichtliche Einordnung der NS-Ideologin und analysiert den mit Trauer beladenen Prozess der Entidealisierung der Mutter durch die Tochter.

Dr. phil. Rose Ahlheim, geb. 1943, analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin, war langjährig tätig als Dozentin und Supervisorin am Institut für analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie in Frankfurt/Main, sie lebt und arbeitet in Berlin.
Dr. Johanna Haarer (1900–1987), Lungenfachärztin, ab 1933 schriftstellerisch tätig mit zahlreichen Publikationen im Sinne der NS-Ideologie. 1945–46 mit Unterbrechung in US-Internierung, dann wieder als Lungenärztin bei Gesundheitsämtern tätig, erneut rege schriftstellerische Tätigkeit.
Gertrud Haarer, geb. 1942, Buchhändlerin und Altenpflegerin. Sie pflegte ihre Mutter bis zu deren Tod, lebt heute in Italien.

Der Eintritt zur BUCHLUST gilt für beide Tage und kostet inklusive Programm 3,- Euro.
Zählkarten für die Lesungen gibt es auf der BUCHLUST jeweils ab 10.00 Uhr. Reservierungen sind nicht möglich.


Links: http://www.literaturhaus-hannover.de/